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Kien Nghi Ha
German Head Hunters
Koloniale Praktiken in der deutschen Migrations- und Integrationspolitik(1)

Die gegenwärtige Diskussion über die befürchteten wie erhofften Effekte der Einwanderung von benötigten Arbeitskräften nach Deutschland findet ohne jede geschichtliche Reflexion in einem scheinbaren Vakuum statt. Dabei sind Forderungen nach einer begrenzten und einträglichen Zuwanderung, die zudem die gesellschaftlichen Verhältnisse und kulturelle Hegemonie der deutschen ›Leitkultur‹ nicht gefährden sollen, nicht neu. Um präziser zu sein: Solche Forderungen sind seit dem Wilhelminischen Kolonialkaiserreich ein wiederkehrendes Strukturelement dieser Debatte. Dessen ungeachtet stellt die Enthistorisierung die dominante Form der gesellschaftlichen Beschäftigung mit diesem Themenbereich dar. Selbst in der sozialwissenschaftlichen Literatur wird der Abschluss des Anwerbeabkommens mit Italien im Jahre 1955 gemeinhin als Anfangsdatum deutscher Arbeitsmigrationspolitik begriffen. Eine Folge der geschichtspolitischen Verdrängung ist, dass die tatsächlichen Wurzeln dieser Politik aus dem Blickfeld geraten und überhaupt nicht diskutiert werden, da sie weder in der politischen Debatte noch im öffentlichen Bewusstsein präsent sind. Dabei könnte die historische Aufarbeitung nicht nur unser geschichtliches Wissen erweitern. Durch die Verknüpfung mit aktuellen Problemstellungen wäre es auch möglich, eine Perspektive zu gewinnen, in der nach den Zusammenhängen zwischen Rassismus, Arbeitsmigrationspolitik und innerer Kolonialisierung gefragt werden kann.

Arbeitsmigration als Politik der inneren Kolonialisierung

Bisher ist es kaum der Rede wert, dass die Genese der deutschen Arbeitsmigrationspolitik nicht nur zeitgleich zur Durchsetzung nationalstaatlicher Kolonialpolitik, sondern auch unter der Ägide einer verwandten Machtlogik erfolgte. Während die ›verspätete‹ Kolonialnation im »Wettlauf um Afrika« (vgl. Pakenham 1990) nach Jahrzehnten der ideologischen Vorbereitung Mitte der 1880er Jahre ihre ersten ›Schutzgebiete‹ in Besitz nahm (Fröhlich 1994: 17-40), wurde von deutscher Seite aufgrund der ›Leutenot‹ in der ostpreußischen Agrarwirtschaft eine zunächst grenznahe Arbeitsmigration initiiert. Diese wurde zu Beginn der 1890er Jahre mit gezielt anti-polnischen Bestimmungen auf das übrige Preußen ausgedehnt. In den Anfangsjahren trat die deutsche Arbeitsmigrationspolitik als Rekrutierung von möglichst ›billigen und willigen‹ Arbeiter/-innen in den so genannten ›freien Jagdgebieten‹ Osteuropas in Erscheinung. Die betrügerischen und oftmals auch brutalen Anwerbemethoden der beauftragten Agenten und Kolonnenführer brachten Missstände hervor, die von der damaligen Sozialkritik mit dem Sklavenhandel verglichen wurden. Institutionell war zunächst die halbamtliche Preußische Feldarbeiter-Zentralstelle zuständig, die organisatorisch an die Centralstelle zur Beschaffung Deutscher Ansiedler und Feldarbeiter anknüpfte. Diese Arbeitsvermittlungsstelle wurde ursprünglich vom Ostmarkenverein und Alldeutschen Verband zur Förderung der kolonialen Siedlungspolitik 1903 gegründet (Herbert 2001: 35; Elsner/Lehmann 1988: 43-44). Das bis vor kurzem noch gültige Prinzip, wonach Deutschland kein Einwanderungsland sei, wurde rigoros durch ein bis 1907 voll entwickeltes »System der restriktiven Ausländerkontrolle mit dem ›Legitimationszwang‹ und dem ›Rückkehrzwang‹« (Bade 1993: 314) umgesetzt. Bis zum Ersten Weltkrieg rückte das Deutsche Reich durch den Ausbau seines zunehmend polizeirechtlich und zentral organisierten Systems des temporären »Arbeiterimports« zum – nach den USA – »zweitgrößten Arbeitseinfuhrland der Erde« auf – wie es der zeitgenössische Historiker Imre Ferenczi ausdrückte. 1910 waren 1,26 Millionen ausländische Arbeiter/-innen im Deutschen Reich beschäftigt, wobei knapp zwei Drittel der Beschäftigten hauptsächlich aus den polnischen Gebieten Österreich-Ungarns und Russlands kamen. Während des Ersten Weltkrieges mussten viele Migrant/-innen de facto Zwangsarbeit leisten, da die zuvor jährlich erzwungene Ausreise durch ein Ausreiseverbot ersetzt wurde.

Die Struktur wie die Zielsetzung der deutschen Arbeitsmigrationspolitik wurde grundlegend durch ihren gesellschaftlichen Entstehungskontext im Zeitalter des Imperialismus geformt. In einer Gesellschaft, deren Eliten sich besonders stark mit völkisch-nationalen, antisemitischen, rassistischen, sozialdarwinistischen, kolonialistischen und militaristischen Ideologien identifizierten, bestimmten diese biopolitischen Ideologien auch maßgeblich die Konzeption und Gestaltung der Zuwanderungspolitik. So wie die koloniale Expansion nicht zuletzt als Mittel zur Aneignung von äußeren Ressourcen angelegt war, wurde die Arbeitsmigrationspolitik als ein nationalstaatliches Instrument eingesetzt, um sich benötigte ›Humanressourcen‹ in temporären Rotationszyklen für das volkswirtschaftliche Wachstum einzuverleiben. Diskriminatorische Arbeitsmigrationspolitik kann im deutschen Entstehungskontext als Inversion kolonialer Expansionsformen begriffen werden. Letztlich zielten beide Politikansätze mit unterschiedlichen Mitteln darauf ab, Deutschlands Stellung im globalen Wettkampf der westlichen Industrienationen durch äußere und innere Kolonialisierung zu stärken.
Ihre Konvergenz zeigte sich besonders eindrücklich in den offiziellen Kriegszielen des Imperial Germany für Osteuropa. Während diese Expansionspläne 1918 durch die Niederlage des Deutschen Reiches abgewendet werden konnten, spielten kolonialrassistische Überzeugungen bei der lebensweltlichen Umsetzung der Arbeitsmigrationspolitik im inneren Ausland eine bedeutsame Rolle. Schon bevor der Nationalsozialismus ›slawische Untermenschen‹ als ›Arbeitsvölker‹ der arischen ›Herrenrasse‹ proklamierte, waren ähnliche Vorstellungen in den politischen Diskursen der Wilhelminischen Kolonialgesellschaft geläufig. Im Unterschied zur NS-Ideologie beruhten sie auf rassistischen Ressentiments, die aber keine rassenpolitische Herrschaftsstruktur für die systematische Neuordnung Europas forderten. Die Idee untergebener ›Arbeitsvölker‹ verband jedoch ›rassisch‹ begründete Unterlegenheits- und Überlegenheitsvorstellungen mit Modellen der ethnischen Arbeitsteilung.

Rassifizierte Arbeitsteilungen und sozialimperialistische Gesellschaftsstruktur

In den rassentheoretischen Diskursen der Kaiserzeit wurden polnische Arbeitsmigrantinnen und -migranten üblicherweise als kulturell »niedrig stehende Slawen« stigmatisiert, als »dumme Polacken« mit einer »kriecherischen« und »unterwürfigen« Haltung verobjektiviert, die für schwere Arbeiten auf dem Feld und unter Tage prädestiniert erschienen. Indem aufoktroyierte soziale Verhältnisse verkörperlicht und als ›Rasseneigenschaften‹ naturalisiert wurden, konnten diese Menschen wie selbstverständlich als »geborene Erdarbeiter« und »Wulacker« (Wühler) erniedrigt werden (Bade 1993: 322). Durch die Konstruktion negativer Stereotypen wurde ihre Abwertung rationalisiert, so dass Ablehnung, Ausgrenzung und Entrechtung natürlich und legitim erschienen. In diesem Sinne arbeitete die deutsche Arbeitsmigrationspolitik seit ihrer Einführung effektiv mit rassistischen Zuschreibungen und ausbeuterischen Praktiken, die eine hierarchische Gesellschaftsstruktur auf kolonialrassistischer Grundlage zur Folge hatten. Aufgrund von gesetzlichen Verordnungen wurden den zugewanderten Arbeiter/-innen grundlegende Rechte wie Vertrags- und Bewegungsfreiheit verweigert. Als de facto Leibeigene auf Zeit waren sie der Willkür ihrer deutschen Vorgesetzten und Gutsherren nahezu schutzlos ausgeliefert, so dass Lohnbetrug, gewalttätige Übergriffe und polizeiliche Kriminalisierung der flüchtigen ›Vertragsbrüchigen‹ die Regel waren. Durch die Aufoktroyierung von halbfeudalen Arbeitsbedingungen, die die gewerkschaftliche und sozialdemokratische Kritik als ›Dasein rechtloser Lohnsklaven‹ bezeichnete, wurden Lebensformen und eine ethnisierende Segmentierung der Gesellschaft geschaffen, die an die rassistische Struktur überseeischer Kolonien erinnerte. Zeitgenössische Kommentatoren verglichen oftmals mit Befriedigung die Funktionen der »Arbeiterschicht zweiten Grades« mit denen von unterdrückten Gruppen in klassischen Kolonialgesellschaften. So nahmen Migrant/-innen in Deutschland nach Beobachtung des Agrarhistorikers Sartorius von Waltershausen Positionen ein, die denen »der Neger in den nordamerikanischen Oststaaten, der Chinesen in Kalifornien, der ostindischen Kulis in Britisch-Westindien« (zitiert nach Bade 1993: 319) entsprachen.
Die innere Kolonialisierung wurde durch eine gezielte Politik der Unterschichtung von migrantischen Arbeiter/-innen forciert, in der die Migrationspolitik neben nationalökonomischen auch sozialimperialistischen Intentionen folgte, um soziale und politische Konflikte im Inneren zu entspannen. Friedrich Syrup, der als Präsident die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung zunächst in der Weimarer Republik und später auch in der NS-Zeit führte, beschrieb 1918 diese sozialimperialistische Praxis wie folgt: Wie zahlreiche Quellen belegen, wurden rassistische und sozialimperialistische Praktiken in den Amtsstuben und Wirtschaftsbetrieben als »strenger Grundsatz« gehandhabt (vgl. Bade 1980: 288-289).

Tradierungen und Analogien in der BRD

Wie die ›Gastarbeiter‹ in der BRD wurden auch ihre osteuropäischen Vorgänger nicht nur im Alltagsrassismus als faul, dumm, übel riechend, ungebildet, gewalttätig, kriminell, gefährlich, kulturell unterwickelt, separatistisch, politisch radikalisiert etc. vorgestellt. Entsprechend wurden sie einem engmaschigen Netz der staatlichen Überwachung unterstellt, die auf vielfältigen polizeilichen und geheimdienstlichen Kontrollen beruhte. Wie überzogen diese Ängste waren, zeigte sich etwa am Fall des nationalliberalen Soziologen Max Weber. Im Jahr 1892 warnte er in seiner damals viel beachteten Studie Die Verhältnisse der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland eindringlich vor der angeblich drohenden »Polonisierung des Ostens« (Herbert 2001: 26-31). Diese Überfremdungsthese war als ideologisches Phantasma empirisch nicht haltbar und vermutete in ihrem paranoiden Eifer in praktisch allen Gesellschaftsbereichen Formen der volkswirtschaftlichen, bevölkerungspolitischen, kulturnationalen und ›rassischen‹ Verdrängung des angestammten Deutschen. Gerade die Verwissenschaftlichung des Rassismus gibt Auskunft über die gesellschaftliche Akzeptanz von hierarchischen Ungleichheitsverhältnissen. Die Kodifizierung des rassistischen Wissens und ihre Umsetzung durch staatliche Institutionen weisen darauf hin, dass die historische Verfasstheit dieser Gesellschaft strukturell durch diskriminierende Politikansätze geprägt ist.

In modifizierter und partiell abgeschwächter Form finden sich rassifizierte Hierarchieverhältnisse auch im Umgang der bundesrepublikanischen Gesellschaft mit den angeworbenen ›Gastarbeitern‹ wieder: In der Funktion als billige ›industrielle Reservearmee‹, im ›Inländerprimat‹ des Arbeitsförderungsgesetzes, in der dauerhaften Struktur der gesellschaftlichen Unterschichtung, in der Verweigerung staatsbürgerlicher Rechte und in der auf Diskriminierung beruhenden Ausländerpolitik werden historische und koloniale Muster deutlich sichtbar. Der in der Weimarer Republik offiziell eingeführte verwaltungstechnische Begriff ›Inländerprimat‹ bezeichnet das Prinzip, wonach Deutsche und ihnen gleichgestellte Arbeiter/-innen aus den Mitgliedsstaaten der EU auf dem Beschäftigungsmarkt durch Vorzugsbehandlung und andere Privilegien gegenüber postkolonialen Migrant/-innen besser gestellt werden sollten. Ein anderes Anschauungsbeispiel für institutionelle Tradierung ist etwa die Geschichte der so genannten ›Legitimationskarte‹ für Arbeitsmigrant/-innen. Sie wurde in der Kolonialzeit ab 1912 von der Deutschen Arbeiterzentrale, in der Weimarer Republik seit 1927 von der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und in der Nachkriegszeit schließlich von der Bundesanstalt für Arbeit ausgestellt (Bade 1983: 48), um die Arbeitsmigration und ihre Subjekte zu steuern und zu kontrollieren. Die preußische Legitimationskarte, die die ›Inlandslegitimation‹ dokumentierte, war ursprünglich Bestandteil eines arbeitsrechtlichen Verhältnisses, das Elemente einer zeitlich befristeten Leibeigenschaft beinhaltete. Entsprechend wurden den Zugewanderten fundamentale Arbeitnehmerrechte wie Vertragsfreiheit und Freizügigkeit de facto vorenthalten. Stattdessen wurden sie bei der Einreise von der Zentralstelle einem ihnen unbekannten Arbeitgeber für die Dauer ihres Aufenthaltes in Preußen unkündbar zugewiesen. Dieser Verwaltungsakt der Inbesitznahme wurde auf der Legitimationskarte amtlich vermerkt, wobei eine Zweitanfertigung an das polizeiliche Zentralregister erging.

Dass die ›Gastarbeiter‹ in der BRD im ersten Jahr nicht das Recht hatten, ihren Arbeitgeber zu wechseln und zudem systematisch im Ausländerzentralregister polizeilich erfasst wurden, ist kaum als historischer Zufall oder Betriebsunfall anzusehen. Obwohl das Ausländerzentralregister in der BRD aufgrund einer als selbstverständlich erachteten institutionellen Überwachungs- und Zugriffspolitik bereits seit 1953 in modernisierter Form fortgeführt wird, ist die eigentlich unabdingbare gesetzliche Grundlage erst 1994 nach der Kritik der Datenschutzbeauftragten nachträglich eingeführt worden. Dabei ist die Grundidee, aber auch die Ausgestaltung des Ausländerzentralregisters höchst problematisch. Unbelastet von deutschen Rechtsbräuchen kommt das unabhängige Gutachten des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs Luis Maduro im April 2008 zum Ergebnis, dass die ausufernde Erfassung, Speicherung und vernetzte Benutzung personenbezogener Daten in der heutigen Form nicht mit EU-Recht und EU-Datenschutzstandards vereinbar sei. Auch käme die Ungleichbehandlung von nicht-deutschen Staatsbürger/-innen mit dem Verbot der Diskriminierung auf Grundlage der Nationalität in Konflikt. Solche Analogien und Tradierungen zeigen, wie stark das Gastarbeiterrecht auf historische Vorläufer rekurriert, wodurch kolonialrassistische Ideologien mittels staatlicher Politik umgesetzt wurden. Auch das 1965 wieder eingeführte Ausländergesetz beruht im Kern auf der Ausländerpolizeiverordnung von 1938, der Verordnung über ausländische Arbeitnehmer von 1933 sowie der Kriegsverordnung für die Behandlung von Ausländern von 1939.

Dass kolonial anmutende Gesellschaftsverhältnisse sich keineswegs historisiert haben, zeigt sich auch am Beispiel der andauernden ethnischen Unterschichtung der ›Gastarbeiter‹. Nach Schätzungen des Migrationsforschers Friedrich Heckmann konnten während der 1960er und 1970er Jahre etwa 2,7 Millionen Deutsche in der BRD durch die gezielte Benachteiligung der Migrant/-innen sozial aufsteigen. Wie der letzte Armutsbericht der Bundesregierung von 2004, aber auch die PISA-Studien belegen, hat sich die Politik der verweigerten Chancengleichheit und Gleichberechtigung zu einer Struktur der gesellschaftlichen Deklassierung verfestigt, die an die nachfolgenden Generationen sozial ›vererbt‹ wird. Die breit angelegten PISA-Studien belegen übereinstimmend, dass insbesondere das deutsche Bildungssystem auch im internationalen Vergleich gerade Schüler/-innen strukturell benachteiligt, die aus sozial marginalisierten Familien kommen über migrantische Hintergründe verfügen und. Angesichts der relativen Starrheit der rassifizierten Segregation und sozialen Schließung könnte man tatsächlich auf die disputierliche Idee kommen zu fragen, inwieweit solche Gesellschaftsstrukturen Ähnlichkeiten zur Apartheid in kolonialrassistischen Staaten aufweisen.

Integration als nationalpädagogische Fremdbestimmung von Muslimen und People of Color

Mit den Integrationskursen steht ein nationalpädagogisches Disziplinierungsinstrument zur Verfügung, mit dem Immigrierte der deutschen Kultur- und Werteordnung überantwortet werden. Wie das rot-grüne Zuwanderungsgesetz wurde die Integrationskursverordnung (IntV) zum 1. Januar 2005 eingeführt und trug die politische Handschrift des mehrfachen Big Brother Award Gewinners Otto Schily. Im Kern schreibt diese Verordnung weniger das Recht als die nach [[section]] 44a des neuen Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) auferlegte Pflicht zur Teilnahme an einem penibel überprüften Sprach- und Orientierungskurs vor. Die nun bis zu 930 Unterrichtsstunden umfassenden Kurse sind als eine zweite Sozialisationsinstanz konzipiert, um nach erfolgreicher Prüfung das vom Goethe-Institut entwickelte Sprachdiplom Zertifikat Deutsch zu erwerben und die politisch-kulturelle Orientierung der Prüflinge zu evaluieren sowie ›weiterzuentwickeln‹. Bis Ende 2006 sind rund 250.000 Menschen durch 16.850 Kurse der Integrationsindustrie geleitet worden. Sie wurden dabei von einem entsprechend großen Apparat aus etwa 12.000 Lehrenden und 1.800 zugelassenen Trägern betreut, die wiederum der Kontrolle des neugeschaffenen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unterstehen. Diese Institution ist 2002 aus dem früheren Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hervorgegangen. Aufgrund zahlreicher Fehlentscheidungen sowie menschenrechtlich bedenklicher Verfügungen stand sie im Mittelpunkt der Kritik von Amnesty International und Pro Asyl.

Mit den im Nationalen Integrationsplan (NIP) vom Juli 2007 angekündigten Maßnahmen, die nicht zuletzt auf mehr ›Controlling‹, ›Erfolgskontrollen‹, Ausbau elektronischer Datenbanken und Überwachungsnetzwerke zur Identifizierung ›integrationsbedürftiger‹ MigrantInnen setzen, zeichnet sich eine weitere Verschärfung des deutschen Integrationsregimes ab. Die Bundesregierung beabsichtigt in den nächsten Jahren, Pflichtkurse für 280.000 bis 336.000 bereits in Deutschland lebende Migrantinnen und Migranten als ›nachholende Integration‹ durchzuführen. Auch die für diese Aufgabe veranschlagte Summe von 380 bis 456 Millionen Euro verdeutlicht die gesellschaftspolitische Relevanz und Dimension dieses sozialtechnologischen Megaprojektes (Ha 2007a).

Deutsche ›Leitkultur‹ + Diskriminierungen = Integration?

Wie die ernüchternden Ergebnisse der PISA-Studie, aber auch die unterprivilegierten Abschlüsse migrantischer SchülerInnen zeigen, haben viele Eingewanderte und ihre Nachkommen die selektiven Mechanismen des deutschen Bildungssystems eher als Instrument der sozialen Ausgrenzung erfahren. Auch der letzte offizielle Armutsbericht »Lebenslagen in Deutschland« (2005) konstatiert eine zunehmende soziale Ausschließung: »Insgesamt ist in Deutschland das Armutsrisiko von Personen mit Migrationshintergrund zwischen 1998 und 2003 von 19,6% auf 24% gestiegen, es liegt damit weiterhin deutlich über der Armutsrisikoquote der Gesamtbevölkerung« (S. 166). Dass ausgerechnet der Zwang zur sekundären Sozialisation nun als favorisiertes Mittel ihrer gesellschaftlichen Integration präsentiert wird, trägt nicht zur Vertrauensbildung bei. Vielmehr verfestigt sich der Eindruck, dass die Integration in ihrer imperativen Form mit dem Anspruch auf kulturelle und politische Vormachtstellung zugunsten der deutschen ›Leitkultur‹ verbunden ist. Wie es in der Verordnung heißt, sollen die Integrationskurse neben dem »Erwerb ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache« auch »Kenntnisse der Rechtsordnung, der Kultur und der Geschichte in Deutschland, insbesondere auch der Werte des demokratischen Staatswesens der Bundesrepublik Deutschland und der Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung, Toleranz und Religionsfreiheit« ([[section]] 3 IntV) vermitteln. Im offiziellen Politikverständnis der BRD fungiert die verordnete Integration somit als ein nationalpädagogisches Mittel, das sich der Durchsetzung und Pflege der als überlegen angesehenen deutschen Kultur- und Werteordnung widmet. Da die amtliche Integrationspolitik – wie im NIP deutlich wird – sich wie selbstverständlich nicht mit institutionalisiertem Rassismus und struktureller Diskriminierung befasst, wird die unterprivilegierte Lebenslage der Eingewanderten ganz nebenbei als Resultat eines selbstverschuldeten sprachlichen Defizits stilisiert. Daher sollen die deutschen Institutionen zukünftig nicht nur den ›Integrationsbedarf‹ der Betroffenen ermitteln und die entsprechende ›Therapie‹ festlegen. Auch die MigrantInnen selbst müssen in den Kursen nun ihre ›Integrationsfähigkeit‹ beweisen, oder sie riskieren entsprechende Sanktionen.

Als Disziplinierungsinstrument wird Integration durch legale Drohungen und Bestrafungen staatlich institutionalisiert, die von der Verweigerung der Staatsbürgerschaft ([[section]] 11 Abs. 1 Staatsangehörigkeitsgesetz) über die Kürzung der sozialen Grundsicherung ([[section]] 44a Abs. 3 AufenthG) bis zu aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen wie etwa der Ausweisung reichen ([[section]] 8 Abs. 3 AufenthG). Auf diese Weise wird ›Integrationsbedürftigkeit‹ zu einer juristischen Kategorie des Strafrechts, während die Verpflichtung zum Besuch von Integrationskursen einer 930-stündigen Untersuchungs- und Besserungshaft gleicht. Zeitgleich mit der Integrationskursverordnung wurde nach [[section]] 55 AufenthG eine Ermessungsabschiebung eingeführt, die aufgrund einer »tatsachengestützten Gefahrenprognose« ([[section]] 58a AufenthG) gegen Verdächtigte erlassen werden kann. Der Rechtsschutz wird außerdem auf eine gerichtliche Instanz beschränkt. Auch »geistige Brandstifter« ([[section]] 55 Abs. 2 Nr. 8 AufenthG), Angehörige verbotener Vereine ([[section]] 54 Nr. 7 AufenthG), »Schleuser« ([[section]] 53 Nr. 3 AufenthG) und so genannte Unterstützer terroristischer Organisationen ([[section]] 54 Nr. 5 AufenthG) sind von der Regelfall- oder Ermessensausweisung betroffen. Zusätzlich gilt, dass eine Regelanfrage über verfassungsfeindliche Einstellungen vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Einbürgerung durchgeführt wird.

Die jüngste juristisch-administrative Verschärfung der deutschen Integrationspraxis gibt erneut Anlass, in eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Thematik einzusteigen. Gerade vor dem Hintergrund der entstehenden Integrationsindustrie ist es wichtig, die mit dem Begriff der Integration einhergehenden Vorstellungen und Praktiken aus einer postkolonialen Perspektive zu hinterfragen. Anstelle von Angeboten auf freiwilliger Basis wird mit der staatlichen Anordnung erstmals im Aufenthaltsrecht (ehemals Ausländergesetz) der Grundsatz des Integrationszwangs als nationalpädagogisches Machtinstrument für die kulturelle (Re-)Sozialisierung und politische Umerziehung ausschließlich für migrantische Subjekte mit außereuropäischen Herkünften institutionalisiert. Auf der dominanten Seite sind sowohl die etwa vier Millionen AnalphabetInnen, aber auch das latent rechtsextreme Bevölkerungsviertel durch ihre deutsche Staatsbürgerschaft vor der Weiterbildungspflicht und den drohenden Entrechtungen durch die Integrationspolitik geschützt.

Postkoloniale Migrant/-innen, Muslime und People of Color als Zielgruppen

Die Integrationskurse sind ausschließlich für Migrierte aus Nicht-EU-Ländern zwingend. In der BRD lebende EU-Bürgerinnen und -Bürger verfügen dagegen über ein auf Freiwilligkeit basierendes Wahlrecht. Während EU-Mitgliedern das Privileg sozialer, ökonomischer und politischer Teilhabe gewährt wird, müssen sich alle anderen Eingewanderten bereits den Anspruch auf Aufenthalt durch einen aktiven Nachweis ihrer ›Integrationsfähigkeit‹ erarbeiten. Ebenso wenig müssen EU-Angehörige bei als mangelhaft bewerteten Integrationsleistungen negative Sanktionen fürchten. Von den repressiven Auswirkungen sind vornehmlich People of Color (vgl. Ha 2007b) aus den postkolonialen Staaten in Asien, Lateinamerika und Afrika, insbesondere muslimische Communities mit türkischen und arabischen Hintergründen betroffen. Neben ökonomischen und politischen Erwägungen spielen auch kulturell-religiöse und ethnisierende Gesichtspunkte bei der Gestaltung von Integrationsregelungen und Einwanderungsbegrenzungen eine wichtige Rolle. Durch die unterschiedliche Vergabe von Rechten und Pflichten – etwa im Aufenthaltsrecht und im Arbeitsförderungsgesetz (AFG) – wird die euro- und ethno-zentrierte Hierarchie unter Eingewanderten weiter verfestigt. Nach Festlegungen im AFG ([[section]] 19), in der Arbeitserlaubnisverordnung und im Sozialgesetzbuch (SGB III, [[section]] 285) dürfen Nicht-EU-Angehörige nur dann einen Job annehmen, wenn weder Deutsche noch gleichgestellte EU-Bürger diese Arbeit zu den angebotenen Bedingungen akzeptieren können. Diese diskriminatorischen Gesetze tragen maßgeblich zu einer systematischen gesellschaftlichen Unterschichtung von außereuropäischen People of Color bei, die dadurch gezwungen werden, stigmatisierte, körperlich belastende und schlecht bezahlte Tätigkeiten in der untersten Betriebshierarchie anzunehmen. Die sozialimperialistischen Effekte dieser rassistischen Arbeitsteilung erinnern an die koloniale ›Kuli-Ökonomie‹ aus vorangegangenen Jahrhunderten. Dadurch werden Analogien zu den Anfängen der nationalstaatlich organisierten Arbeitsmigrationspolitik im Wilhelminischen Kaiserreich wachgerufen, die kolonialen Mustern folgen.

Da die Umerziehungsmaßnahmen in spezifischer Weise postkoloniale MigrantInnen betreffen, sind koloniale Kontexte, Analogien und Konfigurationen im Konzept der Integrationskursverordnung bei der Analyse zu berücksichtigen. Sowohl People of Color als auch postkoloniale MigrantInnen stehen mit ehemals kolonialisierten geografischen Regionen in Verbindung und sind mit tradierten kolonialrassistischen bzw. orientalistisch-islamophoben Zuschreibungen konfrontiert. Integration als Akt politischer Kontrolle, kultureller Überprüfung und juristischer Zertifizierung wirft vor diesem Hintergrund besonders in seiner hoheitsamtlichen Form und massenwirksamen Funktion weit reichende Fragen auf. Sie betreffen sowohl die identitätspolitischen Selbstvergewisserungsstrategien der deutschen Dominanzgesellschaft als auch jenes post-/koloniale Machtverhältnis, das sich in der selektiven Migrations- und Integrationspolitik artikuliert. Diese strukturellen Asymmetrien legen eine Untersuchung ihrer kolonialisierenden Effekte nahe. Von hier wäre es dann auch möglich, nach dem Zusammenhang von Migration, Integration und Nationalstaat im Kontext seiner historischen Genese und post-/kolonialen Einbettung zu fragen.

Im offiziellen Integrations(dis)kurs scheinen soziale Realitäten wie struktureller Rassismus, institutionelle Diskriminierungen und sozio-kulturelle Ausgrenzungen durch die deutsche Gesellschaft wenig relevant. Indem die rassistischen Einschreibungen dieser Gesellschaft unsichtbar gemacht werden, entfallen wichtige Ausgangspunkte für ein machtkritisches Verständnis von Migration, Rassismus und Integration. Stattdessen werden die migrantischen Anderen in hegemonialen Diskursen analog zum kolonialen Anderen per Definition als defizitär vorgeführt. Auch stellt die erzwungene Integration in die Nation nicht nur die proklamierten Integrationsziele, also die angestrebte Verwirklichung der republikanischen Verfasstheit und die Freiheitsrechte in Frage. Darüber hinaus negiert sie in eklatanter Weise das kulturelle und politische Selbstbestimmungsrecht von migrantischen Subjekten. Stattdessen herrscht ein Blick vor, der sie somit als gefügige Verwaltungs- und Zugriffsobjekte nationalstaatlicher Agenturen unterordnet. Denn was ist in der vorherrschenden Diskussion mit dem scheinbar so einbeziehenden Integrationsbegriff tatsächlich gemeint? »In der politischen Diskussion wird er [der Begriff der Integration] meist als Assimilation verstanden, das heißt, als Aufgabe der eigenen kulturellen und sprachlichen Herkünfte und im Sinne einer totalen Anpassung an die deutsche Gesellschaft.« (Meier-Braun 2002: 25f)

Postkoloniale MigrantInnen unter Generalverdacht

Die aktuelle Integrationskursverordnung zeigt in ihren grundsätzlichen Annahmen, dass migrantische und Schwarze Subjekte als defizitäre und deviante Objekte definiert werden. Dabei treten augenfällige Parallelen und Analogien zwischen der tradierten Praxis der deutschen Ausländerpolitik und kolonialen Kategorisierungen des Anderen auf. Sowohl das aktuelle Integrationskonzept als auch die historischen Strategien der Zivilisierung und Missionierung beruhen auf einer manichäischen Differenzkonstruktion (Fanon 1981: 31-34). Darin werden die Anderen erst durch die koloniale Erziehung wie ›Wir‹ und würden dadurch nicht mehr als mangelhafte Wesen mit unterentwickelten kulturellen Werten gelten. Die Imaginierung des Anderen als gänzlich anders, findet in der Herstellung des Dualismus zwischen innen und außen, Subjekt und Objekt, rational und irrational, gut und böse ihre grundlegendste Voraussetzung. Dazu werden die postkolonialen Anderen in einem ersten Schritt ungeachtet ihrer inneren Komplexität und Heterogenität entindividualisiert, vereinheitlicht und negativ konnotiert. Anschließend werden diese zugeschriebenen Kollektivmerkmale in einem Gegensatzverhältnis zu den in der BRD gültigen Normen und Werten ›des Westens‹ fixiert. Auf diese Weise wird eine Fremdwahrnehmung reproduziert, die auch den Umgang der Übersee-Administration mit ihren kolonialisierten Untertanen im deutschen Kaiserreich prägte. Diese erscheinen nicht als Träger unveräußerlicher Individualrechte oder als politische Subjekte mit einem Recht auf Selbstbestimmung. Vielmehr setzt die Erziehung des Kolonialisierten seine Verkindlichung und Entmündigung voraus. In dem Maße, wie die dominante Macht ihn pädagogisch, politisch und kulturell sozialisiert, wird auch seine gesellschaftliche Existenz und Subjektwerdung autorisiert.

Die Integrationskursverordnung geht davon aus, dass People of Color im Gegensatz zu den anscheinend aufgeklärten und zivilgesellschaftlich vollentwickelten Deutschen die Prinzipien der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung, Toleranz und Religionsfreiheit nicht oder nur unzureichend verinnerlicht hätten. Indem mit solchen kollektiven Negativeigenschaften operiert wird, werden vor allem Muslime allgemein autoritärer, sexistischer wie fundamentalistischer Grundhaltungen und Verhaltensweisen verdächtigt. Offensichtlich arbeitet diese Politik mit Fremd- und Feindbildern, wodurch tradierte rassistische und orientalistisch-islamophobe Stereotype staatliche Anerkennung finden. Auf diese Weise werden diese Menschen doppelt entwertet: Zum einen werden ihre kulturellen Kompetenzen negativ konnotiert; zum anderen werden der grassierende politische Extremismusvorwurf und der religiöse Fundamentalismusverdacht als Grundlage staatlichen Handelns legitimiert und verallgemeinert. Dieser Generalverdacht äußert sich auch in den Plänen für die ›nachholende Integration‹ von alteingesessenen MigrantInnen, die in einem Vorentwurf noch als ›Bestandsausländer‹ tituliert wurden. Der Begriff des ›Bestandsausländers‹ signalisiert eine kaufmännische Perspektive im Geschäft mit der Ware ›menschliche Arbeitskraft‹, wodurch die Betroffenen zu Objekten eines nationalen Inventars verwandelt werden. Sie sollen als abhängige Verfügungsmasse dem politischen Gestaltungswillen beliebig unterstehen. Statt die Priorität auf den Abbau von strukturellen Diskriminierungsdynamiken und die nachhaltige Herstellung von gleichen Rechten zu legen, fördert die politische Rahmensetzung der rigiden Integration rassistische Praktiken.

Koloniale Konstruktionen und Kontingenzen

Seit dem aufklärerischen Zeitalter der europäischen ›Entdeckungen‹ und Expansionen wird aus der manichäischen Differenzkonstruktion zwischen ›dem Westen‹ und ›seinem Anderen‹ ein Anspruch auf politische und kulturelle Überlegenheit abgeleitet. Historisch standen die gewalttätige Missionierung, Zivilisierung und (Unter-)Entwicklung des Anderen im Zentrum kolonial-pädagogischer Praktiken. Auch im hiesigen Integrationsdiskurs wird erst durch die dominante Perspektive das Paradigma der Defizitkompensation und des ›Kulturkonflikts‹ erschaffen, das die demokratische und kulturelle Werterziehung des postkolonialen Anderen als vordringliches Ziel der politischen Agenda vorschreibt. Die diskursive und soziale Konstruktion fundamentaler Differenzen und Antagonismen im Verhältnis zwischen ›Deutschen‹ und ›Ausländern‹ birgt entscheidende Vorteile für die Dominanzgesellschaft. Mittels ihrer letztlich staatlich durchsetzbaren Definitionsmacht kann sie auf allen relevanten Ebenen ein Unterordnungsverhältnis zwischen deutscher Leitkultur und den als bedrohlich oder defizitär konstruierten migrantischen Kulturpraktiken etablieren. Die angenommenen Abweichungen migrantischer Provenienz werden oftmals kriminalisiert, fanatisiert und pathologisiert. Erst so ist es möglich, migrantische Subjekte auch gegen ihren Willen der als notwendig erachteten administrativen Behandlung zuzuführen. Integration wird so zu einer gesellschaftlichen Unterwerfungs- und kulturellen Unterordnungstechnik.

Obwohl die Mittel sich unterscheiden, werden Einwanderungswillige – strukturell vergleichbar – wie die Insassen von kolonialen Strafinstitutionen und Besserungsanstalten sowohl zum Schutze der deutschen Gesellschaft als auch im wohlverstandenen Eigeninteresse der Betroffenen überprüft, korrigiert und ausgesondert. Sie werden als infantile Schüler behandelt, die – von streng definierten Ausnahmen abgesehen ([[section]] 4 Abs. 2 IntV) – der westlichen Aufklärung sowie der deutschen Kultur- und Spracherziehung bedürfen. Entsprechend basiert eine Integrationspraxis, die als intern agierende Entwicklungshilfe angelegt ist, auf einem linearen Konzept von Zivilisation und Kulturentwicklung. Dabei werden die nationalen Kulturwerte universalisiert und ›das Deutsche‹ an die Spitze einer nationalkulturell orientierten Entwicklungspyramide gesetzt. Wie in der kolonialen Pädagogik, die den indigenen Untertanen die Zivilisierung durch die ›harte, aber gute Hand des Kolonialherrn‹ aufdrückte, sollen vornehmlich postkoloniale People of Color durch Integrationszwang und Selbstverpflichtungen ›gefördert‹ werden.

Literatur Anmerkung

(1) Dieser Text basiert auf meinen Ausführungen in »Die kolonialen Muster deutscher Arbeitsmigrationspolitik« (2003) in: Encarnación Gutiérrez Rodríguez & Hito Steyerl (Hg.): Spricht die Subalterne deutsch? Postkoloniale Kritik und Migration. Münster: Unrast, S. 56-107 und »Deutsche Integrationspolitik als koloniale Praxis« (2007) in: Kien Nghi Ha/Nicola Lauré al-Samarai/Sheila Mysorekar (Hg.): re/visionen. Postkoloniale Perspektiven von People of Color auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland, Münster: Unrast, S. 113-128.
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conne-island.de/whenworst - Veranstaltungsreihe: Antirassistisches Denken in komplexen Zusammenhängen - Mai 2008 -